Arbeitskreis bekennender Christen

Für die Stummen den Mund auftun!

Stellungnahme des ABC angesichts der Diskussionen um die „Rosenheimer Erklärung“ der evangelisch-lutherischen Landessynode in Bayern 1991

Gründe zur Abtreibung?

Kein Zweifel, es gibt in unserer Gesellschaft viele Gründe zur Abtreibung, sonst wäre sie wohl nicht so häufig: Persönliche und gesellschaftliche, seelische und körperliche, echte und unechte. Unsere Gesellschaft macht es Müttern und Familien schwer, Kinder zu haben und aufzuziehen. Vor allem kinderreiche Familien werden auf vielfältige Weise benachteiligt. Sie gelten als asozial, sinken tatsächlich ab unter die Grenze der Sozialhilfe, tun sich schwer, eine angemessene Wohnung zu finden oder zu bezahlen. Die Rolle der Mutter gilt wenig und wird entsprechend wenig honoriert. Sie passt anscheinend nicht zu einer emanzipierten Frau. Mutterschaft wird oft als Störung der Berufskarriere angesehen. Oder sie bürdet ihr eine Mehrfachbelastung auf, die für eine Alleinerziehende fast untragbar wird. Von der allgemeinen Last der Schwangerschaft und Geburt einmal ganz zu schweigen. Wenn dann noch der Druck der Eltern oder die Erpressung durch den Partner hinzukommt, dann legt sich der Gedanke an eine Abtreibung sehr nahe. Noch gar nicht zu reden von den Fällen, die in den sog. lndikationen ausdrücklich genannt werden (Behinderung des Kindes, Vergewaltigung oder gesundheitliche Schädigung der Mutter).

So verständlich und berechtigt diese Gründe sein mögen, so wenig kann man sich bei ihnen beruhigen. Decken sie nicht tief unmenschliche Züge unserer Gesellschaft auf: Ihre Familien- und Kinderfeindlichkeit, ihre Kälte und Härte, ihre Lebensfeindlichkeit, die Mütter an den Rand drängt und in der Kinder vor allem als eine Last und Störung und ein Kostenfaktor empfunden werden!? Es ist sicher eine vordringliche Aufgabe unserer Kirche, diese “Gründe” zu bekämpfen und alles zu tun, um das zu ändern. Soweit die Rosenheimer Erklärung der evangelisch-lutherischen Landessynode in Bayern das gefordert hat, ist ihr zuzustimmen. Es stellt aber einen moralischen Kurzschluss dar, wegen dieser Schwierigkeiten die Abtreibung für gerechtfertigt zu halten.

Von Anfang an Mensch

Die Nöte werfen die Frage der Abtreibung auf, aber sie beantworten sie noch nicht, jedenfalls nicht rechtlich und nicht christlich-ethisch. Man kann noch so sehr verstehen, dass eine Frau abtreiben will, damit ist noch nicht gesagt, ob sie es auch darf. Denn “Abtreibung ist Tötung menschlichen Lebens”, noch dazu eine besonders widernatürliche Form der Tötung: Sie findet im Mutterschoß, in der Wiege des Lebens statt, und es handelt sich dabei wirklich um einen Menschen, der getötet wird.

Alle Erkenntnisse der modernen Biologie und Medizin weisen darauf hin, dass der ungeborene Mensch ist von Anfang an, d.h. von der vollen Verschmelzung der väterlichen Samenzelle mit der mütterlichen Eizelle an. Dadurch entsteht ein neuer, ganzer Satz von Chromosomen, der alle Erbanlagen des Menschen enthält. Er bleibt das ganze Leben über gleich, wird bei jeder Zellteilung verdoppelt und ist im Kern jeder Zelle unseres Körpers enthalten. Er bestimmt über alle körperlichen und seelischen Anlagen des Menschen. Er ist buchstäblich einmalig und unterscheidet sich durchaus auch von dem der Mutter. In ihm ist auch die Ausbildung der vollen Menschengestalt und des menschlichen Gehirns angelegt; sie wird sich ausbilden, wenn man ihm Zeit lässt und ihn nicht vorzeitig tötet.

Der ungeborene Mensch besitzt auch gegenüber seiner Mutter Selbständigkeit, stellt zu keiner Zeit einen Teil von ihr dar, ist nicht mit ihr identisch. Das kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass er ein eigenes Körpereiweiß besitzt, eine eigene Blutgruppe haben kann, einen eigenen Blutkreislauf entwickelt mit einem eigenen Herzen. Er empfängt von der Mutter zwar Schutz, Wärme, Nahrung und Atmung und gehört eine Zeitlang zu ihr. Aber er führt ein eigenes Leben in ihr und gehört ihr nicht. Sie darf deshalb nicht über ihn verfügen.

Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse stimmen voll mit den biblischen Aussagen über den ungeborenen Menschen überein: “Denn du hast meine Nieren bereitet und hast mich gebildet im Mutterleibe Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin … Es war Dir mein Gebein nicht verborgen, als ich im Verborgenen gemacht wurde … Deine Augen sahen mich, als ich noch nicht bereitet war” (Psalm 139,13-16). Du hast mich gebildet im Mutterleibe, d.h. der Beter sieht in dem Ungeborenen sich selbst, einen Menschen, und er sieht ihn als Geschöpf Gottes, entstanden durch das Wirken Gottes aus den uns verborgenen unscheinbaren Anfängen des Menschseins.

Dem Ungeborenen kommt die volle Menschennatur zu, die Gottebenbildlichkeit und damit auch die Menschenwürde. Daraus gilt es die rechtlichen und ethischen Konsequenzen mit allem Ernst zu ziehen.

Die Aufgaben des Staates

Der Staat und staatlicher Rechtsschutz dienen nach Gottes Willen der Erhaltung der Welt. Der Schutz des menschlichen Lebens gehört dabei zu den Grundaufgaben der Rechtsgemeinschaft. Die einschlägigen Paragraphen des StGB konkretisieren den Schutz des menschlichen Lebens und stellen Übergriffe dagegen unter Strafe. Auch wenn der Mensch dadurch nicht gebessert und Verstöße nicht verhindert werden, darf der Staat nicht resignieren vor dem Unrecht und seine Gesetze nicht dem menschlichen Verhalten anpassen. Das wäre Kapitulation vor dem Unrecht.

Das gilt auch für die Abtreibung. Da sie als Tötung menschlichen Lebens ein Tötungsdelikt darstellt, also einen Verstoß gegen das Grundrecht des Lebens, kann sie weder “entkriminalisiert”, noch von einem Staat, der seine Aufgabe ernst nimmt, geduldet werden. Was dazu vom rechtlichen Standpunkt zu sagen ist, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil 1975 klassisch zusammengefasst: “Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung… Der Lebensschutz der Leibesfrucht genießt grundsätzlich für die gesamte Dauer der Schwangerschaft Vorrang vor dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren und darf nicht für eine bestimmte Frist in Frage gestellt werden… Das Recht auf Leben wird jedem gewährleistet, der ,lebt’ … ‚jeder’ ist daher auch das noch ungeborene menschliche Wesen… Wo menschliches Leben existiert, kommt ihm Menschenwürde zu … Die Schutzpflicht des Staates ist umfassend… Der Staat muss grundsätzlich von einer Pflicht zur Austragung der Schwangerschaft ausgehen, ihren Abbruch also grundsätzlich als Unrecht ansehen… Der Abbruch einer Schwangerschaft zerstört unwiderruflich entstandenes menschliches Leben Der Schwangerschaftsabbruch ist eine Tötungshandlung… Von hier aus gesehen ist der Einsatz des Strafrechts zur Ahndung von ,Abtreibungshandlungen’ ohne Zweifel legitim… Ebenso ergibt sich hieraus, dass auf eine klare rechtliche Kennzeichnung als ,Unrecht’ nicht verzichtet werden kann.”

Das gilt selbst dann, wenn der Staat ausnahmsweise wegen Vorliegens besonderer Gründe (Indikationen) auf Strafe verzichtet. Es handelt sich dann um geduldetes, straffrei bleibendes Unrecht; die Abtreibung wird dadurch jedoch keineswegs erlaubt, gerechtfertigt, entschuldigt, ein “Recht auf Abtreibung” wird der Frau nicht eingeräumt.

Ein Staat, der die sog. Fristenregelung zum Gesetz erhebt (wie die ehemalige DDR), verstößt dadurch gegen seine Grundpflicht des Lebensschutzes – und bei uns zudem gegen das Grundgesetz. Das gilt heute genauso wie damals. Darum ist die Forderung der Rosenheimer Synode, Abtreibung aus dem Strafgesetzbuch herauszunehmen, grundverkehrt und verunsichert den Staat in einer schwierigen und kritischen Situation, statt ihm zu helfen, seine Aufgabe als Staat nach christlichem Verständnis zu verwirklichen.

Weder das in Aussicht gestellte “Gesetz zum Schutz des ungeborenen Lebens” noch der sog. dritte Weg der Frau Prof. Süssmuth vermögen vor diesem Hintergrund zu überzeugen oder zu bestehen. Sie denken nur von der Frau und ihren Rechten her. Der Hauptbetroffene, das noch nicht geborene Kind, wird dabei nicht berücksichtigt und noch weniger geschützt als jetzt. Schlechterdings unerträglich, weil rechtswidrig, ist der Gedanke, dass die Mutter allein und letztinstanzlich über die Tötung ihres Kindes entscheiden dürfen soll.

 

Gänzlich unbegreiflich wird dieser Gedanke in der Erklärung der Synode unserer Kirche: “In Konfliktsituationen kann die letzte Entscheidung der betroffenen Frau von niemandem abgenommen werden; sie muss sie in ihrer Verantwortung vor Gott treffen.” Hier geht verschiedenes durcheinander: Dass die Frau – wie jeder andere Mensch – sich für ihre Handlungen, also auch für die Abtreibung vor Gott verantworten muss, steht fest; aber ob sie das auch kann, scheint höchst fraglich. Außerdem kann man nicht zugleich die Unverfügbarkeit menschlichen Lebens festhalten wollen und im gleichen Atemzug der Frau die Entscheidung darüber zusprechen: Entweder ist unser Leben wirklich unverfügbar für uns, dann hat auch die Mutter nicht darüber zu entscheiden. Oder man gesteht ihr eine Entscheidung zu, dann ist es eben nichts mit der Unverfügbarkeit. Beides zu wollen und zu behaupten – wie die Synode in ihrer Erklärung – widerspricht sich total. Statt zur Klärung zu helfen und Wegweisung zu geben, hat die Synode die Verwirrung vergrößert und diejenigen in unserem Lande unterstützt, die es sich sowieso leicht machen mit der Abtreibung. Man kann nur hoffen, dass unser Staat in dieser Frage beim Grundgesetz bleibt und nicht auf diesen schlechten Rat unserer Synode hört.

Sünde beim Namen nennen

Gottes Wille verlangt auf jeden Fall mehr von uns als das staatliche Gesetz. Das wird besonders deutlich in der Auslegung des Willens Gottes durch Jesus in der Bergpredigt. Daran ändert sich für uns nichts, auch wenn der Staat etwa – gegen seinen Auftrag – die Fristenlösung beschließen würde. Für Christen darf jedenfalls nicht gelten: Was der Staat nicht verbietet, ist erlaubt!

Christliche Eltern sollten bereit sein, um der Liebe Christi willen auch die Last anzunehmen, die eine ungewollte Schwangerschaft bedeuten kann. Eine Konfliktschwangerschaft stellt für sie eine Probe des Glaubens dar. Hier ist ganz konkret der Verzicht auf eigene Lebenschancen, Pläne, Möglichkeiten der ~ gefordert, im Vertrauen darauf, dass auch schwere Wege ihren Sinn haben und vielleicht gerade besonders der menschlichen Reife dienen. Der Apostel Paulus verspricht uns, dass denen, die Gott lieben alle Dinge zum Besten dienen. Ist es denn ausgemacht, dass auf dem eigenmächtigen Wege, auf dem man vor der Tötung des Ungeborenen nicht zurückschreckt, wirklich Segen liegt?

Angesichts der Liebe Christi zu den Kleinen und Schwachen wird die menschliche Lieblosigkeit und Hartherzigkeit noch viel krasser sichtbar, die darin besteht, einen schutzlosen ungeborenen Menschen zu töten – aus welchen Gründen auch immer. Jesus hat den heiligen Willen Gottes in erschreckender Weise radikalisiert, verschärft, und verinnerlicht. In seinem Munde wird er für uns zum anklagenden Gesetz, wie Paulus es gesehen hat: “Durch das Gesetz kommt die Erkenntnis der Sünde.” Es deckt unsere Schuldverstrickung auf, aus der wir uns nicht selbst befreien können. Das gilt auch für die Abtreibung und zwar nicht nur für die Frau, sondern ebenso den Vater des Kindes und alle die in irgendeiner Weise an der Abtreibung beteiligt sind. Es gilt freilich auch für uns alle. Darum darf dies nicht als ein pharisäisches Anklagen missverstanden werden.

Weil Erkenntnis der Sünde die unumgängliche Voraussetzung der Vergebung ist, darum muss es gesagt werden: Abtreibung ist durch nichts zu entschuldigende oder zu rechtfertigende Sünde, Verstoß gegen den Liebeswillen Christi, Versagen und Lieblosigkeit, Ichsucht oder vielleicht auch Verzweiflung – doch auch das ist Sünde. Vor Gott muss der Schaden aufgedeckt und bekannt werden. Hier wie bei anderen Sünden hilft keine Verdrängung, Verharmlosung oder sogar Leugnung der Sünde. Die Kirche muss den Mut haben, Sünde beim Namen zu nennen, d.h. sie muss Gericht und Gnade verkündigen, Gesetz und Evangelium predigen. Es stellt einen schweren Schaden unserer Kirche dar, dass die Predigt des Gesetzes praktisch überhaupt nicht mehr vorkommt.

Darum erwartet man Vergebung ohne Sündenbekenntnis. Damit wird aus dem Wunder der grundlosen Barmherzigkeit Gottes eine Selbstverständlichkeit, fast eine Gnadenautomatik. Mit den Worten Bonhoeffers: Aus der teuren Gnade wird die billige; aus der Rechtfertigung des Sünders die Rechtfertigung der Sünde.

 

Aber das letzte Wort hat nicht das Gesetz, sondern das Evangelium, das Wort der großen Entlastung und Befreiung. Wo Vergebung wirklich erbeten wird, da darf sie im Namen Christi zugesprochen werden. Auch die Sünde der Abtreibung darf – wie jede andere Sünde – vergeben werden. “Da sprach David zu Nathan: Ich habe gesündigt gegen den Herrn. Nathan sprach zu David: So hat auch der Herr deine Sünde weggenommen” (2.Sam 12,13).

Welche Entscheidungsmöglichkeit bleibt uns noch?

  • Vor allem anderen: Wir sollen kein ungewolltes Leben zeugen oder empfangen. Das mahnt uns zu verantwortlichem Umgang mit der eigenen Geschlechtlichkeit. Hier liegen unsere Verantwortung und unsere Entscheidungsfreiheit, bevor neues Leben entstanden ist.
  • Wenn es dennoch zur Zeugung eines ungewollten Kindes gekommen ist, haben Mutter, Vater und die übrige Gesellschaft wegen der Unverfügbarkeit menschlichen Lebens grundsätzlich keine Entscheidungsfreiheit mehr gegen das Leben des Ungeborenen, sondern nur für es. Ihre Freiheit findet ihre Grenze am Lebensrecht des anderen Menschen – wie auch sonst.
    Zu warnen ist in diesem Zusammenhang vor einer oberflächlichen Rede vom “Konflikt”. Man hört oft sagen, hier stehe das Lebensrecht der Mutter im Konflikt mit dem Lebensrecht des Kindes. So richtig es an sich ist, ethische Konflikte wahrzunehmen, so bedenklich ist es doch hier: Es handelt sich nämlich um einen schiefen, ungleichen Konflikt. Für das ungeborene Leben geht es um das Ganze, buchstäblich ums Leben, für die Mutter um einzelne Rechte oder Probleme (Bildung, Beruf, Geldnöte, Belastung, Gesundheit usw.), jedoch allermeist nicht um das Leben.


Als Christen müssen wir dabei bleiben: Ein von seinen Eltern gezeugtes und empfangenes Kind verpflichtet die Eltern dazu, es anzunehmen und sich auf es einzustellen und so die Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen. Alles andere wäre Flucht vor der Verantwortung und schwere Schuld. Jedenfalls gilt das für die überwiegende Mehrzahl der Fälle (89%), in denen die sog. soziale Indikation in Anspruch genommen wird. Sie kommt einem vor wie eine vornehme Umschreibung für unsere Liebesunfähigkeit und unsere Unwilligkeit zur Verantwortung für unsere Taten. Bei ihr wollen wir die durch uns entstandene Belastung einfach abwerfen auf Kosten des Schwächsten, der hier auf jeden Fall der ungeborene Mensch ist.

  • Statt der Abtreibung sollten wir für eine Möglichkeit eintreten, die sicher auch ihre Probleme hat, aber weitaus der Tötung vorzuziehen ist: die Freigabe zur Adoption: Wenn ein Paar oder eine Frau nicht dazu in der Lage sind, ein Kind aufzuziehen, dann wäre es eine verantwortliche Entscheidung, es leben zu lassen, auszutragen und anderen Menschen anzuvertrauen, die ihm den Dienst der Fürsorge und Erziehung gerne tun. Es gibt sehr viele, die Kinder adoptieren wollen, oft aber keine bekommen oder sehr lange darauf warten müssen.Ausnahmen? 
  • Die eugenische Indikation: Sie ist äußerst fragwürdig und von Christen abzulehnen, da sie auf eine verkappte Euthanasie hinausläuft. Das ungeborene Kind wird zur Tötung freigegeben, weil es behindert zur Welt kommen wird oder der Verdacht (!) dazu besteht. Es wird gewissermaßen als “lebensunwertes Leben” angesehen. Diese Indikation ist mit sehr gefährlichen Konsequenzen verbunden, wenn aus ihr Folgerungen für die Behandlung des Menschen am Ende seines Lebens gezogen werden.
  • Die ethische oder kriminologische lndikation: Sie liegt vor, wenn ein Kind durch eine Vergewaltigung gezeugt wird. Es besteht kein Zweifel, dass es sich um ein schweres Unrecht handelt, das der Frau zugefügt wurde. Der Verzicht des Staates auf eine Strafe bei Abtreibung ist verständlich. Trotzdem halten wir auch hier die Tötung des Kindes für keine “glatte” Lösung, für keine Selbstverständlichkeit, wie man heute allgemein denkt. Wird ein Verbrechen durch ein Tötungsdelikt ungeschehen gemacht? Was kann das Ungeborene dafür, um dessen Leben es geht? Es wird gewissermaßen anstelle seines Vaters hingerichtet. Gerade in diesem Fall würde sich meines Erachtens die Freigabe zur Adoption besonders anbieten.
  • Die medizinische Indikation: Ihre Beurteilung hängt sehr davon ab, wie man sie definiert: Wenn sie so weit gefasst wird wie heute (Bedrohung von Leben und Gesundheit der Mutter), dann läuft das auf eine soziale Indikation hinaus und ist abzulehnen. Wenn aber wirklich durch die Schwangerschaft ein lebensbedrohlicher Zustand für die Mutter entsteht (z.B. Bauchhöhlenschwangerschaft o. ä.), dann ist das gegeben, was man mit der Konfliktsituation meint: Es steht Leben gegen Leben. Dies ist der einzige Fall, in dem die Eltern/die Mutter zu einer Entscheidung nicht nur berechtigt, sondern geradezu gezwungen sind. Sie dürfen nicht nur, sondern sie müssen entscheiden, wer überleben soll, wenn nur eines von beiden überleben kann. Damit ist auch noch nicht für alle Fälle gesagt, wie diese Entscheidung aussieht. Es kann auch sein, dass sich die Mutter trotz des Risikos für sie für das Kind opfert. Es gibt solche Beispiele!

 

So müsste man die ethische Frage der Abtreibung in christlicher Verantwortung angehen, jedenfalls ihre individualethische Seite. Der Entscheidungsspielraum für den Christen wird allerdings sehr eng. Was die Mehrheit der Synode in der Rosenheimer Erklärung dazu geschrieben hat, ist widersprüchlich und oberflächlich und entspricht eher dem atheistischen, autonomen Menschenbild als dem christlichen.

 

Abschließend sei erwähnt, dass es hier natürlich auch eine Verantwortung der Gesellschaft und besonders der christlichen Gemeinde für das ungeborene Leben, die Eltern, die Müller, die Kinder und Familien gibt. Aber die stand hier nicht zur Debatte. Das wäre ein neues Thema.

Für die Stummen den Mund auftun!

“Abtreibung ist Tötung menschlichen Lebens”. Es geht um das Leben der Ungeborenen und seine Erhaltung, Rettung. Die Ungeborenen haben bei uns keine “Lobby”, keine Anwälte. Ihr stummer Schrei findet in unserem Land kaum Gehör. Deswegen ist es Sache von Christen, den Mund für die Stummen aufzutun, auf sie aufmerksam zu machen und für sie zu schreien. Die ungeheure Zahl der getöteten Ungeborenen ist ein Alarmzeichen dafür, wie weit die Abwendung von Gott in unserem Volk schon vorangeschritten ist, und durch die teilweise Gleichgültigkeit auch in unserer Kirche könnten wir uns das Gericht Gottes zuziehen.